Mit Frank Steffel steht erstmals seit 2016 ein Abgeordneter des Bundestages prominent unter Verdacht, in seiner Doktorarbeit plagiiert zu haben. Warum ist es um Plagiatsvorwürfe ruhiger geworden? Wird sich das mit der Causa Steffel wieder ändern?

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel steht im Verdacht, schwere Zitierfehler in seiner Promotion zum Doktor der Wirtschaftswissenschaft begangen zu haben. Ende Mai berichtete die Berliner Zeitung erstmals über die Plagiatsvorwüfe gegen ihn. Die mögliche Konsequenz: Der Entzug des Doktortitels durch die Freie Universität Berlin. Manch ein Beobachter fühlt sich vielleicht an die Jahre 2011 und 2013 erinnert, als die Minister Guttenberg (CSU) und Schavan (CDU) wegen Plagiatsaffären zurücktraten. Zuletzt ist es um Plagiate in der Politik ruhiger geworden. Woran liegt dieser mutmaßliche Rückgang, und welche Trends lassen sich in den letzten Jahren erkennen?

Am meisten Doktortitel verlor die FDP 

Die wichtigste Anlaufstelle in diesem Thema war und ist die anonyme und ehrenamtliche Gemeinschaft um das VroniPlag Wiki.[1] Über ein Dutzend teils hochrangige Politiker finden sich in den 201 Promotionsschriften, die das Projekt öffentlich führt. 100 dieser Schriften sind mit einem Ergebnis gekennzeichnet, im Wesentlichen entweder die Aberkennung oder keine Aberkennung des Doktortitels.

Die Hochzeit des Wikis waren die Jahre 2011–2014. Vor allem die ersten Fälle des Blogs brachten Personen des politischen Lebens zum Fall: Neben Guttenberg und Schavan verloren etwa die FDP-Europa-Abgeordneten Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis ihre Titel und oft auch ihr Ansehen.

Auffällig ist die Verteilung der Parteibücher unter den VroniPlag-Plagiatoren (also denen, deren Doktortitel aufgrund von Plagiaten aberkannt oder zurückgegeben wurde): elf der vierzehn Personen, deren Parteizugehörigkeit im Wiki verzeichnet ist, sind oder waren Mitglieder der „bürgerlichen“ Parteien CDU, CSU und FDP. Systematische Schlüsse lassen sich hieraus jedoch nicht ziehen, denn VroniPlag führt keine Liste untersuchter und „unverdächtiger“ Arbeiten. Das liegt vor allem daran, dass eine solche Bezeichnung erstens nie garantiert werden kann und zweitens grundsätzlich davon ausgegangen werden müsse, dass Dissertationen plagiatsfrei sind.

Die Doktorarbeiten der meisten neuen Abgeordneten sind noch ungeprüft

Seit 2014 ist es um das Wiki im Speziellen und das Thema Plagiate in der Politik im Allgemeinen ruhiger geworden. VroniPlag-Gründer Martin Heidingsfelder – der das Projekt mittlerweile verlassen hat – vermutet, dass die höherrangigen Politiker zu einem großen Teil bereits abgearbeitet sind. Heidingsfelder und die anonymen VroniPlag-User gingen im Juni 2011 im Streit auseinander. Der Plagiatsjäger betreibt seitdem ein neues Wiki namens PolitPlag, das sich ausschließlich „Kandidaten“ aus der deutschen Politik widmet.

Der CDU-Abgeordnete Steffel, dessen Doktorarbeit Heidingsfelder im Auftrag eines anonymen Geldgebers unter die Lupe nahm, ist nun der einzige prominent diskutierte Vorfall in der jüngeren Vergangenheit. Könnten weitere Fälle folgen?

Die Promotionsarbeiten des Schubs an neuen Bundestagsabgeordneten der AfD und FDP ist größtenteils noch ungeprüft. Es scheint wahrscheinlich, dass weitere mögliche Plagiatoren im Bundestag sitzen. Selbstverständlich ist deren Auffliegen jedoch nicht. Eine anonyme, ehrenamtliche Prüfung der neuen Parlamentarier läuft auf VroniPlag derzeit nicht an, und Heidingsfelders PolitPlag litt bereits bei der Bundestagswahl 2013 unter Anlaufschwierigkeiten: per Crowdfunding wurden nur wenige Tausend Euro gespendet.


Foto: © Deutscher Bundestag / Achim Melde

[1] Benannt nach Veronika Saß, der Tochter Edmund Stoibers (CSU), deren Dissertation 2011 untersucht und von der Universität Konstanz aberkannt wurde.