Bis Sonntag wird europaweit das neue EU-Parlament gewählt, dabei sind auch in Deutschland wieder viele WählerInnen unter 30. Unpolitisch, konsumorientiert und desinteressiert: So werden junge WählerInnen immer wieder in deutschen Medien porträtiert. Ein Blick auf die Beteiligung an der letzten Wahl vor fünf Jahren zeigt aber: Nicht die potenziellen ErstwählerInnen, sondern die Zweit- und DrittwählerInnen hatten bei der Europawahl 2014 die geringste Wahlbeteiligung.

Mit 40% lag die Wahlbeteiligung der jüngsten WählerInnen 2014 merklich über den 35–36% der 21–29-Jährigen, wenn auch unter dem Gesamtschnitt von 49%. Über die Gründe liefern die Daten keine Hinweise, aber verschiedene Thesen über dieses wiederkehrende Phänomen sind denkbar: Die jungen WählerInnen mögen die erste Wahl als Schritt ins Erwachsenenleben empfinden, oder etwa durch den Einfluss von Schule und Elternhaus den Weg ins Wahllokal suchen. Wenige Jahre später, in der Regel nach dem Auszug und auf eigenen Beinen stehend, ist der soziale Druck zum Wählen geringer.

Fridays for Future, Sundays for Europe: Eine neue Politisierung?

Seit der Wahl 2014 hat sich die politische Lage in Europa grundlegend geändert: Die Migrationsdebatte begann 2015, der „Brexit“ wurde 2016 entschieden und der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien nahm zu. Die Proteste in Verbindung mit der „Fridays for Future“-Bewegung werden weithin als Ausdruck einer neuen Politisierung von JungwählerInnen gewertet, die bei der EU-Wahl 2019noch ins Gewicht fallen könnte. Gemessen an Google-Suche ist der Klimawandel in Deutschland von so großem Interesse wie zuletzt 2007.

Auch nach Bundesland schwankt die Wahlbeteiligung. In Bundesländern, in denen parallel noch Volksentscheide, Kommunal- oder Bezirksversammlungswahlen anstanden, war auch die Wahlbeteiligung höher. Besonders hoch war sie 2014 in Rheinland-Pfalz, wo 59% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben.

Unter den 21–24-Jährigen – die Altersgruppe mit der geringsten Beteiligung bundesweit (35%) – lag Rheinland-Pfalz ebenso mit immerhin 43% vorne. Für Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ist der Grund eindeutig: „Bei der Europawahl geht es um die Zukunft Europas und damit vor allem auch der jungen Menschen“, meint sie. „Deshalb ist es auch diesmal so wichtig, dass sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen“. Ob es dazu kommt, wird die Erhebung des Bundeswahlleiters zeigen. Wir werden die Zahlen hier mit der Analyse von 2014 vergleichen.


Foto: Jörg Farys / Fridays for Future via Flickr (CC BY 2.0)

Daten: Bundeswahlleiter, Wahlbeteiligung in den Ländern nach Geschlecht und Alter bei der Europawahl 2014

Die ursprüngliche Recherche für diesen Beitrag entstand im Rahmen unserer Kooperation mit Polisphere und der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft für die Europawahl 2019.