In Berlin wird über die Rettung des Dieselmotors diskutiert, währenddessen ist der weltweite Übergang hin zur Elektromobilität und weg von Verbrennungsmotoren bereits in vollem Gang. Schafft Deutschland es, mit der globalen Entwicklung Schritt zu halten?

Von Felix Heilmann

In den vergangenen Monaten hat der Dieselskandal dafür gesorgt, dass im Kanzleramt ein „Dieselgipfel“ auf den anderen folgte. Doch bisher ist es auf den Spitzentreffen nicht gelungen, eine Lösung für die Probleme des deutschen Autosektors zu finden. Nun hat Kanzlerin Merkel angekündigt, dass die Bundesregierung bis Ende des Monats eine einheitliche Position zur strittigen Frage der Hardware-Nachrüstungen verkünden wird. Während in Berlin in solch langwierigen Verhandlungen versucht wird, den Dieselantrieb zu retten, befindet sich der Mobilitätssektor weltweit in einem grundsätzlichen Veränderungsprozess: Elektroautos revolutionieren den Fahrzeugmarkt, und immer mehr Menschen sehen Mobilität als Dienstleistung, die wie Car- und Bike-Sharing Angebote auf Knopfdruck bereitsteht. Damit wächst auch der Druck auf die Politik, die richtigen Weichenstellungen für einen Übergang zu einem Mobilitätssystem, das nicht auf fossilen Brennstoffen beruht, einzuleiten.

Grundsätzlich haben dies auch schon viele Politiker erkannt – zuletzt hat Bundeskanzlerin Merkel im ARD-Sommerinterview klargestellt, dass eine Verkehrswende nötig sei. In den konkreten politischen und wirtschaftlichen Debatten tauchen diese Weichenstellungen jedoch kaum auf. Die Diskussion dreht sich hauptsächlich um den Umgang mit der Dieseltechnologie: Sind Hardware-Nachrüstungen notwendig? Wer trägt die Kosten? Und sind Fahrverbote ein zumutbares Lösungsinstrument? Deutlich weniger prominent diskutiert wird der Übergang zur Elektromobilität – obwohl die Verkehrswende als „talking point“ beliebt ist.

Dabei konnte die dieselfixierte Politik der vergangenen Monate und Jahre die grundsätzlichen Probleme nicht lösen, wie beispielsweise die von Gerichten verhängten Fahrverbote in Frankfurt, Hamburg, Stuttgart und Aachen zeigen: Jedes Fahrverbot ist ein indirektes Zeichen dafür, dass es politisch nicht gelungen ist, die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung von Luft- und Lebensqualität zu ergreifen.

Weltweit wächst die Elektromobilität rasant

Währenddessen nimmt auf globaler Ebene der Übergang zur Elektromobilität Fahrt auf. Zwischen 2015 und 2017 hat sich die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos weltweit beinahe verdreifacht. Es sind jedoch nur 4 Prozent dieser neuen Fahrzeuge in Deutschland registriert, und die „Nationale Plattform Elektromobilität“ der Bundesregierung hat erst kürzlich das Ziel der Regierung, bis 2020 eine Million Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb (inklusive Hybrid-Fahrzeugen) auf die Straße zu bringen, aufgegeben und erklärt, dass das Ziel frühestens 2022 erreicht werden kann.

All dies lässt Deutschland im internationalen Vergleich schlecht dastehen. So hinken deutsche Autobauern ihren globalen Konkurrenten in der Produktion von Batteriezellen, einem zentralen Bestandteil von Elektroautos, um bis zu zehn Jahre hinterher. Erst kürzlich hat der chinesische Konzern CATL die Eröffnung eines Werkes für Batteriezellen in Thüringen bekanntgegeben – Erstkunde ist BMW. Deutsche Autobauer scheinen den Anschluss an die Elektromobilität zu verlieren – dabei verbreitet sich die Technologie weltweit rasant.

Insgesamt läuft die Wende zur Elektromobilität in Deutschland also noch schleppend. Besonders bemerkenswert ist, dass eben auch der Dieselskandal nicht zu einem grundsätzlichen Umdenken geführt hat: Eine Analyse aller PKW-Neuzulassungen in Deutschland des Hamburger Abendblatts zeigt, dass der Untergang des Diesels lediglich anderen Verbrennungsmotoren genutzt hat: Elektroautos konnten kaum an Marktanteil dazugewinnen.

Trotz Dieselskandal, den globalen Veränderungen in der Verkehrsindustrie und dem immer stärker werdenden gesundheitspolitischen Druck für eine Wende in der Verkehrslandschaft gibt es also kaum Veränderungen. Dabei müsste dringend etwas passieren: Neben den bekannten Problemen ist der Verkehrssektor auch der einzige Sektor Deutschlands, dessen klimaschädliche Emissionen seit 1990 nicht gesunken, sondern sogar gestiegen sind.

Wie kann Deutschland die Pariser Klimaziele einhalten?

Nach Berechnungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt dürfen in Europa ab 2025 keine neuen Diesel- und Benzinautos und ab 2028 keine neuen Hybridautos mehr zugelassen werden, damit die Ziele des Pariser Klimaabkommens eingehalten werden können. Nur noch sieben Jahre also, in denen viel passieren müsste. Es ist auch vieles in Bewegung: So steigt die Verfügbarkeit von Elektroautos stark an, von 155 Modellen im Jahr 2017 zu vorrausichtlich 349 Modellen in 2025, und einige Experten rechnen sogar damit, dass auf Grund der fundamentalen Veränderungen im Verkehrssektor bereits im Jahr 2030 95% der zurückgelegten Kilometer von autonomen elektrischen Fahrzeugen gefahren werden.

Der Trend ist klar: Mobilität wird sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern – und sie muss es auch, da der Verkehrssektor einen wichtigen Beitrag zum Einhalten der Klimaschutzgrenzen zu leisten hat. Um diesen Prozess zu gestalten, haben verschiedene Länder politische Leitplanken eingeführt. Beispielsweise Norwegen, das ab 2025 keine Autos, die fossile Brennstoffe nutzen, mehr zulassen wird. Bereits heute hat Norwegen mit über 25 Prozent den mit Abstand höchsten Anteil an Elektroautos in Europa. Verschiedene andere Länder und Städte haben ebenfalls klare Signale für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor gesetzt – und somit auch klare Investitionssignale an die Industrie gegeben.

Die deutsche Verkehrspolitik ist, zumindest in diesem Bereich, also deutlich weniger ambitioniert als die vieler europäischer Nachbarn. Sie gibt berechtigten Anlass zur Frage, ob mit dem momentanen Kurs erklärte Ziele wie saubere Luft, die Schaffung lebenswerter Innenstädte und die Sicherung des Klimas erreicht werden können. Darüber hinaus droht die deutsche Automobilindustrie auf dem Weltmarkt abgehängt zu werden. So lange der Raum zwischen abstrakten Bekenntnissen zur Verkehrswende und der politischen Fixierung auf die Rettung des Diesels nicht gefüllt wird, wird sich hieran wohl auch nichts ändern.


Text: Felix Heilmann

Grafiken: Einfacher Dienst

Foto: Markus Tacker via Flickr (CC BY-ND 2.0)