Dem Mensch ein Wolf: Die Wolfspopulation in Deutschland wächst – genau wie die Debatte und Berichterstattung über sie. Steht das noch im Verhältnis?

Der Wolf ist zurück. Im Jahr 2000 hatte sich mit dem Nachwuchs eines Wolfspaares aus Polen in Ostdeutschland erstmals seit fast 100 Jahren ein Wolfsrudel in Deutschland angesiedelt. Inzwischen ist das Tier mit über 75 nachgewiesenen Rudeln und Paaren in Deutschland und nach knapp 1000 getöteten Nutztieren nicht mehr nur Anliegen von Naturschützern, sondern auch Gegenstand heftiger politischer Debatten geworden. Besonders deutlich wurde dies im Februar dieses Jahres, als sich der Bundestag den Anträgen von gleich vier Fraktionen zur Situation der Wölfe in Deutschland widmete. Schon aus den Titeln der Anträge wurden dabei die verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkte von AfD, FDP, Grünen und Linkspartei deutlich: Das Spannungsfeld erstreckt sich zwischen Arten- und Herdenschutz und dem Schutz des Menschen.

Nicht nur im Bundestag sind Differenzen zur Frage nach dem richtigen Platz der Wölfe in Deutschland groß. Die von Markus Söder (CSU) geführte bayerische Staatsregierung beschloss im April sogar einen „Aktionsplan Wolf“, nach dem „die Größe der Wolfspopulation auf das artenschutzrechtlich Erforderliche“ begrenzt werden soll. Gerade seit Jahresbeginn nimmt die Debatte immer mehr Raum ein. Einerseits geht es um die richtigen Zahlen: Zuletzt hatte der Sprecher des Deutschen Jagdverbandes Torsten Reinwald für Aufmerksamkeit gesorgt, als er im Nachklang zur Veröffentlichung eines Positionspapiers von über 1000 Wölfen sprach. Das veranlasste Spiegel Online kürzlich zu der Frage, ob Deutschland Tausende Wölfe vertragen könne und zu dem Vergleich der Wolfsvermehrung mit Fibonaccis Formel zur Beschreibung des exponentiellen Wachstums von Kaninchenpopulationen.

Andererseits geht es inzwischen nicht mehr nur um Wölfe, sondern auch immer mehr um die Berichterstattung über Wölfe. Der Wolf ist in Deutschland natürlich kein Unbekannter – bei Peter und der Wolf sowie Grimms Märchen kommt er schlecht weg. Auf dieser kulturellen Grundlage beschreibt Publizist Dieter Bub den Wolf als „neues Feindbild des Ostens,“ der Kognitionspsychologe Christian Stöcker als ein eher „emotionales, als ein praktisches Problem.“ In welcher Art und Weise auch immer der Wolf in der politischen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit aufgegriffen wird, er erfährt hohe und rasch wachsende Aufmerksamkeit.

Eine Suche durch die Archive der deutschsprachigen Presse zeigt, dass die Anzahl der Texte über „Wolfsrudel“ bisher ähnlich wuchs wie der Bestand an Tieren. Im Wolfsjahr 2016 (01. Mai 2016–30. April 2017) kamen auf jedes Wolfsrudel in Deutschland etwa vier Artikel, die das Wort in Überschrift, Einleitung oder Verschlagwortung verwendeten.

Seit dem nun gerade vergangen Wolfsjahr ist das aber anders. Die deutsche Presselandschaft setzt sich nun besonders eifrig mit der Wolfsthematik auseinander. Knapp 600 solcher Artikel wurden veröffentlicht – eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr. Noch sind die Zahlen der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) zum Wolfsbestand im vergangenen Wolfsjahr nicht vollständig erfasst. Selbst wenn die Population mit dem zehnjährigen Durchschnitt von etwa 30% weiterwachsen sollte könnten die Wölfe bei Weitem nicht mit dem Wachstum der Berichterstattung mithalten. Zumindest die Art der wolfsbegeisterten Journalisten und Redakteure scheint den günstigen Erhaltungszustand aber bereits erreicht zu haben.


Foto: Thomas Gerhard via flickr (CC BY-ND 2.0)