Start-Ups mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar werden auch „Unicorns“ – „Einhörner“ – genannt. 348 Einhörner gibt es weltweit, 35 davon in der Europäischen Union. Doch mit dem Brexit würde die EU auf einen Schlag die Hälfte verlieren: 17 sind alleine auf der Insel beheimatet.
Ein weltweites Schwergewicht in der Start-up-Szene ist Europa nicht. Die Hälfte der Einhörner hat ihren Firmensitz allein in den Vereinigten Staaten, weitere 26% in China. Während das kalifornische Silicon Valley mit seinen Start-ups eines der wohlhabendsten Länder der Welt sein könnte, haben nur 10% der weltweiten Neugründungen mit Milliardenbewertung ihren Sitz in der EU. Die deutsche Online-Bank N26 zählt ebenso dazu wie der französische Fahrten-Portal BlablaCar und der britische Essenslieferdienst Deliveroo.
Für die vergleichsweise geringe Einhörner-Population in Europa kommen viele Gründe in Frage. „Mehr Risikokapital“ für europäische Projekte forderte etwa Miriam Schröder im Handelsblatt. Das US-Magazin „The Verge“ sieht das Problem eher in hohen bürokratischen Hürden. Die FDP setzt sich deshalb etwa für ein „bürokratiefreies Jahr für Start-ups“ ein. In einem gemeinsamem Manifesto für die Europawahl 2019, „United Tech of Europe“, plädierten verschiedener Start-up-Verbände für einheitliche Finanzierungsregeln und klare Rechtsstrukturen.
Die Kombination aus hohen Marktbewertungen und der häufig geringen Rentabilität der Unternehmen hat gewisse Parallelen zur Dotcom-Blase der 1990er. Neue Firmen mit hohem Kapital können eine lange Zeit ohne nennenswerte Gewinne operieren und somit ihre Konkurrenten verdrängen – wie etwa Uber. Wie der britische Economist schreibt, sind viele Einhörner wohl eher als Ponys einzuschätzen.
Großbritannien, Deutschland, Frankreich und der Rest
Aber auch innerhalb der EU zeigt sich ein klares Gefälle. Die 35 europäischen Unicorns sind ungleichmäßig verteilt: Ein Großteil davon entfällt auf das Vereinigte Königreich (17), Deutschland (8) und Frankreich (4). In London eröffnen immer mehr Start-ups und fahren hohe Unternehmensbewertungen ein.
Mit dem Brexit am 31. Oktober würde Europa auf einen Schlag die Hälfte seiner Einhörner verlieren. Seit der Entscheidung der Briten im Juni 2016 wirbt deshalb Berlin um die Unternehmen. Fraglich ist, ob und wie sich der Brexit auf EU-Start-ups auswirken könnte – freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen EU-Ländern und dem Vereinigten Königreich wird es wohl in dieser Form nicht mehr geben. Zum einen würde somit den britischen Unternehmen der Zugang zum EU-Markt erschwert, zum anderen würde die EU viele junge und innovative Firmen verlieren.
Der Bericht „The Global Unicorn Club“ von CB Insights führt eine laufende Liste aller Startup-Unternehmen vor dem Börsengang oder dem Verkauf, die derzeit eine Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar haben oder denen eine solche nachgesagt wird („whisper valuations“).
Die ursprüngliche Recherche für diesen Beitrag entstand im Rahmen unserer Kooperation mit Polisphere und der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft für die Denk ich an Deutschland-Konferenz 2019 sowie für die Europawahl.
Foto: Colin via Wikimedia Commons /