1988 führte das ZDF mit Bundeskanzler Helmut Kohl das erste Sommerinterview. Seitdem wuchs das Format: Inzwischen sind die Sommerinterviews eine Sendereihe von ARD und ZDF, in der jeder Sender jeweils einen Politiker pro im Bundestag vertretenen Partei etwa 20 Minuten zur politischen Lage befragt. Wir werten die Gespräche nach Themen aus.
2018 untersuchten wir die vierzehn Sommerinterviews nach ihrer thematischen Schwerpunktsetzung und kamen dabei zu aufschlussreichen Ergebnissen: Aus etwa 4:26 Stunden Gesamtsendezeit ging es 1:18 Stunden um Flucht, Asyl und Migration – 29% der Gesamtzeit und mehr als um jedes andere Thema. Dem gegenüber standen wenige Sekunden für Gesundheit und Pflege (26 Sekunden), Bildung (18 Sekunden) und Familienpolitik (12 Sekunden) – Ein deutlicher Kontrast zu zahlreichen BürgerInnen-Befragungen, bei denen gerade diese Themen auch als besonders wichtig eingestuft werden.
Die Ergebnisse dieser Analyse wurden vielfältig medial aufgegriffen, vom Spektrum der Wissenschaft bis zur ZDF Heute-Show.
Das Format Sommerinterview
Die Sommerinterviews eignen sich besonders gut für Vergleiche zwischen Jahren, Parteien und auch Sendern, denn das Format bleibt stets gleich: Es handelt sich um etwa zwanzigminütige Interviews, die mit SpitzenpolitikerInnen der im Bundestag vertretenen Parteien geführt werden.
Im Gegensatz zu Talkshows sind sie meist weniger von tagespolitischen Ereignissen getrieben. Sie finden in der politischen Sommerpause statt und sollen dazu dienen, mit etwas Abstand über die politischen Ereignisse der letzten Monate zu diskutieren. Wegen des üblichen Sommerlochs bleibt auch die mögliche Themenwahl über die einzelnen Gespräche hinweg relativ konstant.
2019: Welche Themen werden gesetzt?
Bisher war 2019 politisch vom Thema Umwelt bestimmt. Es ist zu erwarten, dass sich die Sommerinterviews diesem Thema besonders widmen. 2018 kam in Klimafragen mit Alexander Gauland (AfD) ein Leugner des menschengemachten Klimawandels zu Wort, während viele anderen PolitikerInnen nicht befragt wurden.
Außerdem wird der Rechtsterrorismus und -radikalismus 2019 vermutlich stärker thematisiert wurden. Im vergangenen Jahr wurde nur Katja Kipping (Die Linke) in der ARD zum Thema befragt, nachdem in Chemnitz Ende August Neonazis marschierten. Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wird deutschlandweit wieder über das Thema diskutiert.
Nach Flucht und Asyl ging es im vergangenen Jahr auch viel um Parteipolitik, etwa war die Große Koalition beinahe an der CSU und ihrem Plan, AsylbewerberInnen an der deutschen Grenze in Bayern zurückzuweisen. So weit kam es dieses Jahr nicht, aber auch das Jahr 2019 gibt genügend Anlass zur Diskussion um Partei und Regierung: Das starke Abschneiden der Grünen bei der Europawahl, der Rücktritt Andrea Nahles‘ als SPD-Vorsitzende, sowie vermeintliche Patzer von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Wir werden auch dieses Mal wieder die Themensetzung der Sommerinterviews auswerten. Das erste Interview mit der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer wird heute, Sonntag, 7. Juli um 19.10 Uhr im ZDF ausgestrahlt.
Foto: obs/ZDF/C. Pflug, gettyimages; [m] KNSK