Der Ausreißer: Das Sommerinterview mit Alexander Gauland (AfD) schlägt Wellen. Die Fragen von Thomas Walde führen zu viel Lob und mancher Kritik. Doch was war eigentlich „anders“ an diesem Gespräch?

„Schönes #Sommerinterview mit #Gauland“, lobt der deutsche Medienkritiker Stefan Niggemeier auf Twitter die ZDF-Redaktion von Berlin Direkt. „Klimawandel? Kann man eh nix gegen machen. Rente? Da müssten wir Sie vertrösten. Digitaler Wandel? Ja, gut, das ist jetzt nicht so mein Thema. Druck auf den Wohnungsmarkt? Fällt mir nix zu ein“, resümiert er die Antworten des AfD-Vorsitzenden. Er ist mit diesem Urteil nicht alleine, Dietmar Neurer etwa kam im Handelsblatt zu dem gleichen Schluss: Dieses Interview, das zehnte des Sommers (ausgenommen das Gespräch mit dem Bundespräsidenten), schien gänzlich anders gewesen zu sein, als seine Vorgänger.

Ein neuer Ton, inhaltlich tiefe Fragen, ein AfD-Interview ohne AfD-Themen. Doch was genau war wirklich anders an diesem Interview? Das zeigt der Vergleich mit des Gesprächsverlaufs mit der bisherigen Bilanz. Zwei Dinge fallen auf.

Während erstens die Themen „Umwelt,“ „Arbeit und Soziales“ und „Wirtschaft und Digitales“ in den vorherigen Gesprächen kaum eine Rolle spielten, dominierten sie das Interview mit Gauland. Fast drei Minuten sprach der Parteichef zum Klima, dementierte den menschengemachten Klimawandel und kritisierte sogenannte „Klimalobbyisten“. Drei Minuten Klima, das ist doppelt so viel wie in allen bisherigen Sommerinterviews zusammen. Besonders bemerkenswert ist die Diskrepanz im Vergleich zu den Grünenchefs: Sowohl Robert Habeck in der ARD als auch Annalena Baerbock im ZDF wurde keine einzige Frage zum Thema Klimawandel gestellt.

Ebenfalls bemerkenswert waren die beiden anderen Themen, die Moderator Thomas Walde ins Zentrum stelle. Wie schon im Sommerinterview mit Parteikollege Jörg Meuthen vom 22. Juli war das Thema Rente bei Gauland Gegenstand der Fragen. Bisher wurden nur AfD-Politiker nach ihrem – zugegeben, fehlenden – Rentenkonzept befragt. Und auch der dritte Themenfokus war ungewöhnlich: Bisher war nur mit Christian Lindner ausführlicher über die Digitalisierung gesprochen worden.

Keine Frage zu Flucht, Asyl und Migration

Zweitens wartete ein Elefant im Raum vergeblich: „Flucht, Asyl & Migration“ wurden im Interview mit Gauland nicht angesprochen. Dabei hatte das Thema alle anderen Interviews zuvor dominiert. Im Durchschnitt war in jedem der vier vorherigen Sommerinterviews des ZDFs knapp sieben Minuten über Flucht und Migration gesprochen worden – mehr als ein Drittel der gesamten Gesprächszeit. Dieser Themenfokus wurde gleichermaßen in den Sommerinterviews der ARD gesetzt.

Die Reaktionen auf das Gespräch mit Gauland waren entlang der erwarteten Linien geteilt. Moderator Thomas Walde kommentierte das Medienecho auf Twitter mit dem Hinweis auf die positive Berichterstattung von “dwdl, stern, handelsblatt, focus, taz, bento”. Juso-Vorsitzender Kevin Kühnert schrieb, dass Walde ein „denkwürdiges Stück politischen Journalismus“ geglückt sei. Die AfD hingegen zeigte sich auf Twitter sehr kritisch. Sie vervielfältigte einen Tweet von Wiebke Mushal, indem die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag kommentierte: „Der Staatsfunk entlarvt sich selbst“.

Eines steht gegen alle Anderen

Die mehrminütigen Diskussionen zu Sachfragen ermöglichten es Thomas Walde Nachfragen zu stellen und, in einigen Bereichen wie z.B. der Rentenpolitik, Lücken zu offenbaren. Der Moderator sagte dem Medienmagazin DWDL, er habe sich vorgenommen mit Gauland über „Themen zu sprechen, die für die Menschen im Land eine hohe Bedeutung haben.“

Aber es eröffnete damit dem AfD-Chef eine Möglichkeit diese Themen anzusprechen, die anderen Politikern verwährt blieb. Beispiel Klimawandel: ARD und ZDF haben mit Gauland nun bisher nur einen Politiker zum Thema befragt, und zwar einen Leugner des menschengemachten Klimawandels.

Für das inhaltliche und kritische Interview werden Thomas Walde und das ZDF zu Recht gelobt. Gewissermaßen ist es aber auch ein Feigenblatt: Bemerkenswert ist es vor allem, weil die vorherige Themenwahl von ARD und ZDF so eingeschränkt war.


Foto: Screenshot aus dem ZDF Sommerinterview 2018 mit Alexander Gauland.