Der 19. Deutsche Bundestag besteht seit vergangenem September, seine Abgeordneten sind jetzt in der Sommerpause. Was unterscheidet die Parlamentarier dieser Wahlperiode von ihren Vorgängern und was verbindet sie? Eine Analyse ihrer Vornamen gibt manchen Einblick zur Repräsentation der Generationen und Geschlechter.

Am 24. Oktober 2017 trat der neu gewählte Bundestag in seiner konstituierenden Sitzung erstmals zusammen. Die FDP zog nach vier Jahren Auszeit wieder ins Parlament ein, während die AfD als neue Partei direkt die drittgrößte Fraktion stellt. Früh stellte sich die Frage, wie sich dieser Bundestag in seiner Zusammensetzung von den vorherigen unterscheidet. Im Februar 2018 analysierte die Süddeutsche Zeitung die sozio-ökonomische Zusammensetzung des Bundestages. In ihrer Reportage stellte die SZ die 709 Volksvertreter nach Merkmalen wie Geschlecht, Alter und Bildungsabschlüssen vor und berechnete deren Über- oder Unterrepräsentierung.

Heinrich, Hans und Hermann

Eine Auswertung der Vornamen der Abgeordneten bietet einen etwas außergewöhnlichen Zugang zum aktuellen Bundestag sowie zur Geschichte des Hohen Hauses. Die häufigsten Namen zeigen das Parlament im Wandel der Zeit, geben aber auch Hinweise darauf, welche Gruppen im Parlament besonders stark vertreten waren und sind.

Im Vergleich zwischen aktuellem und erstem Bundestag im Bezug auf die zehn häufigsten Vornamen zeigt sich der Wandel der Moden und Traditionen in der Namensgebung. Heinrich, Hans und Hermann – keiner der Top 3 der ersten Wahlperiode hat es in die aktuelle Rangliste geschafft. Manche Namen sind ganz verschwunden: Einen Adolf – 1949–1953 noch ganze fünf Mal vertreten – gibt es heute nicht mehr unter den Abgeordneten. Adolf Ostertag (SPD) und Adolf Roth (CDU) schieden als letzte Abgeordnete mit diesem Vornamen 2002 aus dem Bundestag aus.

Andererseits lassen sich an den aktuell häufigsten Vornamen auch starke Geburtsjahrgänge erkennen. Das Durchschnittsalter der Abgeordneten in der 19. Wahlperiode beträgt knapp 50 Jahre. Die häufigsten Vornamen von 1968 zeigen, dass die heutigen Abgeordneten „Kinder dieser Zeit“ sind: acht von zehn der häufigsten Männernamen sind heute in den Top 10 vertreten. Auch Katja und Kerstin, die beiden Frauennamen auf Platz 9 und 10 des heutigen Bundestags, waren 1968 unter den häufigsten Vornamen.

Das Verhältnis von Männer- und Frauennamen ist darüber hinaus besonders aussagekräftig. In der Rangliste der häufigsten Vornamen im „ewigen Bundestag“ wird deutlich, wie unterrepräsentiert Frauen in der deutschen Politik waren und sind: Maria rangiert mit nur 49 Einträgen auf Platz 62 der häufigsten Namen – so häufig wie zum Beispiel die männlichen Kollegen namens Willi. Vornamen illustrieren die historische und aktuell wieder besonders ausgeprägte Unterrepräsentation von Frauen im Parlament.

Besonders deutlich wird das, wenn die häufigsten Namen zu den von allen Frauen gehaltenen Bundestagsmandaten ins Verhältnis gesetzt werden. Abgeordnete mit den zehn üblichsten Vornamen – Männer von Hans bis Walter – durften seit 1949 in Abstimmungen ebenso viele Stimmen abgeben wie die Gesamtheit aller weiblichen Abgeordneten. Dabei endet die Benachteiligung von Frauen nicht mit dem geringen Frauenanteil; selbst Frauen mit Mandat bleiben die Wege in zahlreiche Ressorts praktisch verschlossen.

Insgesamt zeigt die Analyse: Wenn die Michaels, Katjas, Martins und Kerstins zum Ende der Sommerpause wieder im Plenarsaal sitzen tagt dort kein repräsentatives Parlament im Sinne eines Abbilds der deutschen Gesellschaft. Zwar ist Repräsentation nicht die einzige Aufgabe des hohen Hauses. Besonders aber dann, wenn es ab Herbst wieder um Themen geht, die unterrepräsentierte Gruppen betreffen – in Alter, Geschlecht oder einer anderen Dimension – sollte die tatsächliche Zusammensetzung des Parlaments nicht vergessen werden.


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