Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag hatten Vertreter aller Parteien versprochen, die neue Fraktion im Parlament zu „stellen.“ Bis zum Juni war ihnen das kaum gelungen – wir berichteten. Nun endet eine von Debatten um Flucht, Asyl und Migration geprägte Sommerpause. Nach dem Sommer steht wieder die AfD im Zentrum – dieses Mal aufgrund ihrer Nähe zu Rechtsradikalen, wie die Demonstrationen in Chemnitz zeigen. Auch den kommenden Sitzungswochen wird sie vermutlich ihren Stempel aufdrücken.

Heute endet die parlamentarische Sommerpause. Ab dem 10. September 2018 stehen die ersten  Bundestags-Sitzungen des politischen Herbstes an. Damit geht auch eine inhaltlich einseitige Sitzungspause zu Ende. Das Sommerloch wurde dieses Jahr primär mit den Themen Flucht, Asyl und Migration gefüllt. Einerseits befeuerten politischen Entwicklungen wie der Unionsstreit diese Entwicklung. Andererseits war es die Fokussierung der medialen Aufmerksamkeit: Am Beispiel der Sommerinterviews von ARD und ZDF zeigten wir dies ausführlich. Zum Ende der sitzungsfreien Wochen steht auch die AfD wieder im Zentrum – dieses Mal wegen ihrer Nähe zu Rechtsradikalen bei Demonstrationen mit der fremdenfeindlichen PEGIDA. Kurz gefasst: Inhaltlich ist nach dem Sommer vor dem Sommer.

Wird die AfD mit ihren Themen auch in den kommenden Wochen die parlamentarische Debatte dominieren? Auch hier hilft der Blick zurück – etwa zu unserer ersten Analyse der im Parlament gestellten Zwischenfragen vom Juni.[1]

Nach der Bundestagswahl vor einem Jahr hatten viele Politiker versprochen, die AfD und ihre Themen im Bundestag „stellen“ zu wollen. Vor Beginn der nächsten Sitzungsphase können wir nun auf Basis aller bisherigen Protokolle zeigen:  Die AfD hat durch die gezielte Nutzung des Mittels der parlamentarischen Zwischenfrage einen Weg gefunden, im Plenum immer wieder eine Bühne zu gewinnen.

Obwohl alle Abgeordneten im Plenum jederzeit Zwischenfragen anmelden können, stellte die AfD weitaus mehr als alle anderen Fraktionen. Dass die größte Oppositionspartei viele Nachfragen stellt, ist zwar zu erwarten. Aber der Frageanteil der AfD übersteigt ihren Anteil an Bundestagsabgeordneten deutlich. Gleichzeitig wurden ihre Zwischenfragen 56% der Zeit abgelehnt, mehr als die Fragen aller anderen Parteien. Zum Vergleich: Platz zwei hat die SPD, ihre Fragen wurden 47% der Zeit abgelehnt.

Die AfD richtet ihre Fragen dabei recht gleichmäßig an alle anderen Fraktionen. Sie scheint ihre Rolle im Bundestag nicht nur als Führung der Opposition gegen die Regierung zu verstehen, sondern als Opposition gegen alle im Bundestag vertretenen Parteien. Trotzdem gilt: Die AfD fragte die „linken“ Parteien SPD, Linke und Grüne leicht häufiger, als es das Mehrheitsverhältnis im Parlament erwarten lässt – die CDU/CSU und die FDP leicht weniger.

Außerdem zeigt die Auswertung, dass die AfD und ihre Positionen nicht häufiger das Ziel der Zwischenfragen der etablierten Parteien waren. Am häufigsten ausgefragt wurden bis zur Sommerpause Abgeordnete der CDU/CSU – als größte Fraktion durchaus zu erwarten.

Die AfD wird also vergleichsweise wenig ausgefragt und die anderen Fraktionen scheiterten bisher überwiegend am eigenen Anspruch die AfD zu „stellen“.  Eine Ausnahme gibt es: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Fast die Hälfte aller Zwischenfragen an die AfD kamen aus den Reihen von ihrer Abgeordneten – für die knapp kleinste Fraktion im Parlament durchaus bemerkenswert. Einmal mehr bekräftigt die Partei ihre Stellung als „anti-AfD“-Partei.

Zwischenfragen sind aber nicht die einzige bedeutungsvolle Variable im Ablauf der Debatten: In zwei umfangreichen Auswertungen hat das Daten-Team der Süddeutschen Zeitung im April gezeigt, dass die AfD im Bundestag durchaus isoliert ist, u.a. durch Lachen, Beifall und Zwischenrufe im Parlament.  Zudem werden Zwischenfragen unterschiedlich und strategisch eingesetzt: Wie der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle uns im Juni erläuterte, bieten Zwischenfrage den Gefragten auch eine Bühne, sollten sie die Frage annehmen. Somit verzichten manche Abgeordnete bewusst auf Zwischenfragen, um der AfD keine zusätzliche Redezeit zu geben.

Trotzdem: Seit den gewalttätigen Ausschreitungen in Chemnitz sind sehr kontroverse Debatten in vollem Gange – über rechte Gewalt in Deutschland und die Zukunft der Verfassungsschutzes, um nur zwei zu nennen. Nach dem „Schulterschluss mit Rechtsextremen“ in Chemnitz dürfte die AfD auch im Bundestag nun endgültig in einem anderen Licht dastehen. Ob das nun dazu führen wird, dass die etablierten Parteien im Parlament konfrontativer mit der AfD umgehen – auch gerade durch den Einsatz von Zwischenfragen – bleibt abzuwarten.


[1] Genaueres zu diesen Kennzahlen und ihrer Erhebung wird in unserem Beitrag vom Juni 2018 erläutert.

Foto: © Deutscher Bundestag / Achim Melde